IDD – Gelebter Verbraucherschutz durch professionelle Beratung und Betreuung
Leitantrag des Präsidiums zur Jahreshauptversammlung 2018
Mit Inkrafttreten des nationalen Umsetzungsgesetzes zur Versicherungs-vertriebsrichtlinie (IDD) mit Ziel des Verbraucherschutzes und den dazugehörigen Verordnungen werden die Rahmenbedingungen für Versicherungsvermittler in Deutschland maßgeblich geändert. Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute bezieht hierzu im folgenden Leitantrag klare Positionen.
1. IDD – Neue Pflichten für Vermittler in der täglichen Praxis
Die Gewerbeordnung, das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sind um verschiedene Bestimmungen erweitert und geändert worden. Es ergeben sich hierdurch neue Pflichten für alle Versicherungsvermittler.
Der BVK begrüßt, dass viele seiner Forderungen vom Gesetzgeber aufgegriffen wurden und sieht sich insoweit in vielen Punkten bestätigt.
Die Regelungen sehen vor, dass Versicherungsvermittlung im bestmöglichen Interesse des Kunden erfolgen muss. Auch die Vermeidung von Interessenkonflikten bei der Versicherungsvermittlung zwischen Kunden und dem Vergütungsinteresse des Vermittlers ist zu berücksichtigen und soll den Verbraucherschutz weiter verbessern.
Der BVK begrüßt die Pflicht zur Weiterbildung jedes am Versicherungsvertrieb Beteiligten und empfiehlt weiterhin die Teilnahme an der Brancheninitiative gut beraten. Die Weiterbildung ist auf Verlangen der Aufsichtsbehörde nachzuweisen. Allerdings sieht der BVK Lernerfolgskontrollen kritisch, da insbesondere bei Präsenzveranstaltungen die Umsetzung schwer realisierbar ist.
Zudem müssen Versicherungsvermittler alle sachgerechten Informationen über ein Versicherungsprodukt, das sie vermitteln wollen, vom Produktgeber einholen, bevor sie ihre Kunden dazu beraten und ihnen das Produkt vermitteln.
Der Gesetzgeber konnte maßgeblich vom BVK von der Notwendigkeit der gesetzlichen Verankerung des Provisionsabgabeverbots überzeugt werden. Die Regelung ist bereits seit Sommer 2017 in Kraft.
Die dazugehörige Versicherungsvermittlungsverordnung befindet sich noch in der ministeriellen Abstimmung und liegt aufgrund der langwierigen Regierungsbildung noch nicht in der Endfassung vor. Der Verordnungsentwurf sieht unter anderem Vorschriften zur Weiterbildung und zu erweiterten Informationspflichten vor.
Der BVK fordert vom Gesetzgeber, bei den noch zu beschließenden Ver-ordnungen mit Augenmaß vorzugehen.
2. Professionelle Beratung, Vermittlung und Betreuung als gelebter Verbraucherschutz
Die skizzierten neuen Pflichten für Vermittler sollen zur weiteren Professionalisierung im Versicherungsvertrieb beitragen. Dieses Ziel wird prinzipiell vom BVK begrüßt.
Allerdings binden die neuen Pflichten auch in erheblichem Maße die Kapazitäten der Vermittler. Der bürokratische Aufwand in den Betrieben wächst von Jahr zu Jahr. Die Vermittler würden sich gerne wieder mehr ihrer Kernkompetenz, der qualifizierten Beratung, widmen.
Vermittler erfüllen als Ehrbare Kaufleute eine wichtige sozialpolitische Aufgabe. Durch ihre professionelle Beratung, Vermittlung und Betreuung der Kunden wird der Verbraucherschutz von ihnen bereits heute in der täglichen Praxis gelebt.
Sie fungieren als wichtiges Bindeglied zwischen den Kunden und der Versicherungswirtschaft. Die persönliche Beratung hat in Deutschland weiterhin einen hohen Stellenwert. Dies resultiert auch aus der vertrauensvollen Bindung zwischen Vermittlern und ihren Kunden. Zudem sind Vermittler gesetzlich dazu verpflichtet, hohe Beratungs- und Dokumentationspflichten zu erfüllen. Sie verfügen über den Nachweis der notwendigen Qualifizierung für diese hochkomplexe und verantwortungsvolle Tätigkeit.
Der BVK fordert die Regierung auf, keine neue Regulierung vorzunehmen, damit Versicherungsvermittler ihren sozialpolitischen Auftrag auch in Zukunft erfüllen können. Ziel sollte es sein, die bestehenden Regulierungen zu evaluieren und ggf. zu entbürokratisieren, wo ein Nutzen im Sinne des Verbraucherschutzes nicht erkennbar ist und der Wettbewerb erschwert wird.
3. Private Altersvorsorge lebt vom Engagement der Vermittler
Öffentliche Förderungen sind ein wichtiges Element und Entscheidungskriterium bei der privaten Altersvorsorge. Förderungen erhöhen zudem die Anreize zur privaten Vorsorge, die insbesondere angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase und der damit verbundenen rückläufigen Renditen relevante Entscheidungskriterien sind.
Vermittler leisten einen wesentlichen Beitrag bei der Bedarfsermittlung der Verbraucher. Altersvorsorgeprodukte sind erklärungsbedürftig und werden nur dann auf Akzeptanz stoßen, wenn die Verbraucher die Funktion und den Nutzen erkennen. Dem mündigen Verbraucher nun ein standardisiertes Riester-Produkt aufzuzwingen, wie es die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag plant, wird das Akzeptanzproblem in der Bevölkerung nicht lösen. Insbesondere Geringverdiener könnten geneigt sein, von ihrer „Opt-Out-Option“ Gebrauch zu machen, wenn ihnen der Nutzen nicht umfassend erklärt wurde.
Der BVK ist der festen Überzeugung, dass die private Altersvorsorge vom Engagement der Vermittler lebt. Ähnlich wie beim Sozialpartnermodell umgeht die Politik weitgehend das fachliche Expertenwissen der Vermittler.
Wir fordern von den politischen Entscheidungsträgern, die Pläne im Koalitionsvertrag bezüglich eines standardisierten Riester-Produkts zu überdenken und stattdessen zielgerichtete monetäre Anreize zu schaffen. Die wichtige Funktion der Vermittler sollte zudem wieder stärkere Berücksichtigung finden.
4. Digitalisierung & Onlinevertrieb
Hinsichtlich der Digitalisierung im Versicherungsvertrieb bekennen wir uns weiterhin klar zu den Positionen in unserem Leitantrag 2016 „Vermittler sichern Kundeninteressen in einer digitalisierten Versicherungswelt“.
Wir freuen uns, dass wir uns beim IDD-Umsetzungsgesetz mit unserer Forderung „Kein Vertrieb ohne Beratung“ durchsetzen konnten. Der BVK vertritt weiterhin die Position, dass den Kunden nicht suggeriert werden darf, für den Abschluss einer Versicherung sei keine qualifizierte Beratung erforderlich.
Die Gleichbehandlung zwischen stationärem Vertrieb und Onlinevertrieb konnte erfolgreich im Verfahren gegen Check24 gegen große Widerstände gerichtlich durchgesetzt werden. Wir vertreten die Position, dass auch Online-Makler die gleichen Rechte und Pflichten haben, wie der stationäre Vertrieb. Dies gilt auch ausdrücklich für die Betreuung im Schadenfall, die unseres Erachtens weiterhin nicht gegeben ist. Mit dem Sachwalterurteil hat der BGH die Pflichten des Maklers eindeutig konkretisiert. Demnach gehört es zu den Aufgaben des Versicherungsmaklers gegenüber dem Versicherungsnehmer, den Versicherungsvertrag nach Abschluss weiter zu betreuen, indem er den Vertrag auf etwaigen Anpassungsbedarf sowie Verlängerungen hin überprüft und den Versicherungsnehmer rechtzeitig darauf hinweist, den Zahlungsverkehr fördert, im Schadensfall den Versicherungsnehmer sachkundig berät, für sachgerechte Schadensanzeigen sorgt und bei der Schadensregulierung die Interessen des Versicherungsnehmers wahrnimmt.
Wir werden uns weiterhin für gleiche Wettbewerbsbedingungen unter allen Vermittlern einsetzen und unsere satzungsgemäße Aufgabe wahrnehmen, den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen.
In diesem Zusammenhang begrüßen wir die vom Bundeskartellamt angekündigte Sektoranalyse zu Vergleichsportalen, sehen den Ergebnissen gespannt entgegen und fordern den Onlinevertrieb auf, sich an eine verbraucherschützende Regulierung zu halten.
5. Evaluierung des LVRG – Regulierung ohne Ende?
Durch das Lebensversicherungsreformgesetz wurden die Abschlusskosten im Vertrieb gesenkt. Das LVRG von 2014 ist in den Vergütungssystemen angekommen. Die Abschlussprovisionssätze wurden für Vermittler je nach Vertriebsweg um 1,5 bis 7,0 Promille gesenkt. Dies zeigt die Studie „Provisionen & Courtagen in der Versicherungsvermittlung“, die das Beratungsunternehmen Willis Towers Watson gemeinsam mit Professoren der Fachhochschule Dortmund durchgeführt hat.
Zudem stellte die Erhebung eine stärkere Verteilung der Vergütung auf die Laufzeit fest. Signifikant angestiegen sind auch die Stornohaftungszeiten. Die gesetzliche Stornohaftungszeit von fünf Jahren wird zunehmend vertraglich angehoben und sogar überschritten. Wir plädieren dafür, dass die in § 49 VAG getroffene Entscheidung hinsichtlich der Stornohaftung für Vermittler zeitlich auf deren Geschäftstätigkeit begrenzt wird. In keiner anderen Branche haften Dienstleister oder ihre Hinterbliebenen auch nach Eintritt der Berufsunfähigkeit oder Eintritt in den Ruhestand ohne eigenes Verschulden noch 60 Monate nach.
Anders sieht es bei den Verwaltungskosten bei den Versicherern aus, in deren Senkung der BVK noch erhebliches Nachholpotenzial sieht.
Im Hinblick auf die anstehende Evaluierung des LVRG fordert der BVK eine Kompensation für die entgangenen Einnahmen. Eine angemessene Vergütung muss auch in Zukunft sichergestellt sein, um die hohe Beratungsqualität für die Kunden zu gewährleisten.
Angesichts der erfolgten IDD-Regulierung fordern die Vermittler die politischen Entscheidungsträger auf, keine weiteren gesetzlichen Einschnitte vorzunehmen.
6. Fazit
In der täglichen Praxis müssen Vermittler durch das IDD-Umsetzungsgesetz viele neue Pflichten erfüllen. Der BVK begrüßt, dass viele seiner Forderungen vom Gesetzgeber aufgegriffen wurden und sieht sich insoweit in vielen Punkten bestätigt.
Bei den noch zu beschließenden Verordnungen und bei der Evaluierung des LVRG fordert der BVK den Gesetzgeber auf, mit Augenmaß vorzugehen.
Die Belastungsgrenze der Vermittlerbetriebe durch die regulatorischen Anforderungen und die monetären Einschnitte in der Vergütung ist erreicht. Wir fordern die Evaluierung der bestehenden Regulierung und ggf. Entbürokratisierung.
Die Pläne zur Einführung eines standardisierten Riester-Produkts sehen wir kritisch, da die Beratungs- und Betreuungskompetenz der Vermittler nicht berücksichtigt werden. Der BVK ist der festen Überzeugung, dass die private Altersvorsorge vom Engagement der Vermittler lebt. Zugleich fordert der BVK von der Politik, mehr Anreize für die private Altersvorsorge zu schaffen.
Der BVK wird sich weiterhin auch aus Sicht des Verbraucherschutzes für gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen stationärem und Onlinevertrieb einsetzen und seine satzungsgemäße Aufgabe wahrnehmen, den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen.
Verabschiedet durch die Mitgliederversammlung des BVK
Berlin, den 24.05.2018